Vorbereitung
Wie oft zählte ich die Tage, seit dem Sommer 88, als ich die Tour zum ersten Mal in Erwägung zog. Mit meinem Freund
Stefan Weigt kam ich damals auf die Idee, die Motorradkarriere mit 45 (also 1996) mit einer unvergesslichen Tour zu
beenden.
Ursrünglich sollte es in insgesamt 4 Monaten von Deutschland nach Italien (Genua), Fähre nach Tunis, durch die Sahara
bis zur Elfenbeinküste (hatte ich damals schon eine Ahnung, dass ich irgendwann mal eine Frau von dort heiraten sollte,
was dann 2007 ja auch geschah?) ,dann nach Westen bis Daram Salam (Tansania). Dort wollten wir mit einem Schiff nach
Sri Lanka, nach Indien und von dort aus nach Nepal. Die Rückfahrt war dann über Indien Pakistan, Iran und die Türkei
geplant. Und das in 4 Monaten. Politische Unruhen in Afrika und Sri Lanka und die Zeit zum Anderen, veranlassten mich,
die Wegstrecke leicht zu ändern. Außerdem stieg Stefan aus familiären Gründen nach 3 Jahren aus. Mein neuer
Reisepartner wurde Roland Schuster. Er erklärte sich 1992 bereit, die Tour mit mir zu wagen. Am Anfang war sein
Mitwirken etwas halbherzig, aber je näher der geplante Abfahrtstermin, der 15.3.96 rückte, desto aktiver beteiligte er sich
an der Vorbereitung. Seine Idee war auch die Auswahl der Motorräder, die wir 1992 kauften. Im Hinblick auf die Tour
entschied sich Roland für die BMW R100R. 1995 wollte ich sie noch gegen Enduros tauschen, aber er glaubte, dass
die Strassenversion, mit Enduroreifen ausgerüstet, die bessere Lösung sei. Ich war da einwenig skeptisch, aber wir
blieben dabei.
Visas, Devisen, Reiseschecks, Landkarten, alles ist eingepackt, die Motorräder stehen startbereit bei Roland auf
dem Bauernhof. Zum Winken bereit standen Barbara, Roland`s Frau, Schappi, Geschäftspartner von Roland,
Anni, die eine besondere Verbindung zu Indien hat, sie ist Halbinderin, und Norbert Rüttinger, Bundeswehrkollege aus
alten Zeiten, der sogar aus Ochsenfurt anreiste, um bei unserem Start dabei zu sein.
An diesem 15.3. hatte ich noch einen schweren Arbeitstag, besonders deshalb, weil mein Kopf kurz vor dem Bersten
stand, denn die Nacht vor der Abreise feierten wir ausgelassen mit unseren Freunden und Bekannten. Wein, Bier und
Schnaps floss in rauhen Mengen. Die Strafe, das weiss wohl jeder, folgt am nächsten Tag. In diesem Zustand musste
ich beruflich noch mehrere Termine wahrnehmen, die geistig und körperlich viel von mir abverlangten.
Um 15 Uhr 30 verabschiedete ich mich noch in Lauf von meinem 7jährigen Sohn Denis. Das tat am meisten weh, ihn
jetzt 3 Monate nicht mehr zu sehen. Aber wir waren beide tapfer beim Abschied, hatten wir doch am Wochenende zuvor
reichlich über die bevorstehende Zeit gesprochen.
Und das kam dann heraus:
https://goo.gl/maps/PdEApMZzD45FBPGa6 https://goo.gl/maps/WtNdEySrqrMABmjE7
https://goo.gl/maps/2p7zHJKLA87sqgtFA https://goo.gl/maps/BGWpYwcocjk3bbfs8
https://goo.gl/maps/pffYaMVvKs4cSEL57 https://goo.gl/maps/8pqMSUMDwnwoUHhP9
https://goo.gl/maps/QAKJGNYb3fjPp91v8 https://goo.gl/maps/z83wMz6BDi1jQwsM7
https://goo.gl/maps/QmZmLrwEM6qcYEyq9 https://goo.gl/maps/TZgKFEfYYTSz7Bdg6
Die Reise
Reichenschwand 15.03.1996 15 Uhr 15 kmSt. 16.007
Ja, endlich, nun ist es soweit. Um 15 Uhr 45 waren wir auf der Autobahn in Richtung München. Hier fuhr ich in Gedanken
schon 100 mal, denn immer wenn ich vorher hier unterwegs war, wusste ich, dass hier unsere Tour beginnen würde.
Herrliches Wetter begleitete uns bis zur Landeshauptstadt. Der dortige Verkehrsstau konnte unsere gute Laune nicht
trüben. Eher schon, dass es nach München neblig und vor allem kälter wurde. Durch Garmisch dachte ich schon ans
Abendessen und an eine Übernachtungsmöglichkeit. Kurz vor Mittenwald betankten wir unsere Maschinen, wobei der
Tankwart meinte, nach Mittenwald wäre es 12 Grad wärmer. Ich dachte, er wollte uns nur motivieren, aber er behielt
tatsächlich Recht. Es wurde merklich wärmer. Über den Zirler Berg, Innsbruck erreichten wir den Brenner schon bei
Dunkelheit. In Bozen Nord wollten wir die Autobahn in Richtung Welschenhofen (Gasthof Rosenheimer Gut, dort hatte ich
1993 beim Skifahren unvergessliche Erlebnisse als Dolomiten Willi) verlassen. Die Ausfahrt war jedoch gesperrt und wir
fuhren weiter bis Trento. 12 km weiter, in Vattaro, liesen wir uns eine Pizza schmecken und konnten auch dort noch
übernachten. Es war 21 Uhr und der Tacho zeigte 505 km.
Vattaro 16.03.1996 kmSt 16.512
Die Nacht, im Ehebett mit Roland, war sehr laut. Wir eruierten das und es muss wohl so gewesen sein, dass keiner von uns
beiden schlafen konnte, weil der andere so laut geschnarcht hatte. trotzdem waren wir beide wieder fit für die Weiterfahrt.
Bei bedecktem Himmel über den Passo di Sommen (1348m), erreichten wir Vicenca.
Es wurde immer dunstiger und Regen setzte ein, als wir die Autostrata erreichten. Roland streifte sich die
Regenkombi über und verlor dabei seine geliebte Militärjacke. Der Regen begleitete uns bis Venedig, wo wir
um 11 Uhr eintrafen. Bei Minea Lines lösten wir die Tickets nach Igonoumitsa und danach fuhren wir in ein
Cafe und liesen uns ein paar Bierchen schmecken. Leicht angeheitert kamen wir um 14 Uhr zur Paßkontrolle.
Tageskm. 162. Wir befestigten unsere BMW s, damit sie auch rauhe See unbeschadet überstehen können.
Raus aus den Motorradklamotten, in bequemer Kleidung, mit Schlafsack, Matte und Waschzeug, bezogen
wir unseren gebuchten Pullmannsitz. Anschließend besuchten wir das Restaurant und machten Bekanntschaft
mit Alen, einem 46 Jahre alten Truckfahrer aus England. Sein 38-Tonner war mit war mit Krankenhausutensilien
für Griechenland beladen. Er war ein angenehmer Sprachgeselle und bald lud er uns in seine 4-Bett Kabine zum
Schlafen ein. Frühmorgens, als ich die Zelle verließ, lag er mit einem Handtuch überm Gesicht in seinem Bett. Kein
Wort verlor er über die lauten nächtlichen Geräusche, aber man merkte ihm an, dass er schon bereute, uns in seine
Kabine eingeladen zu haben. Um 11 Uhr sitze ich im Aufenthaltsraum und beobachte die großen Tankschiffe, die
uns entgegenkamen. Wir fahren entlang der italienischen Küste, auf der anderen Seite währen wir nun auf der Höhe
von Dubrovnik. Nach einer Dusche gesellte ich mich zu Roland und Alen, die sich schon wieder ein paar Bierchen
schmecken ließen. Wir saßen am Ausguck, als Roland, der mit den besten Augen, auf einmal "Land in Sicht" rief.
Zuerst sahen wir die schneebedeckten albanischen Berge, die ja nicht einmal 2000m hoch sind. Wie wird das wohl
morgen in Griechenland sein, bei der Überquerung des hohen Katarapasses.
Rechter Hand tauchte Korfu auf und ich hatte Zeit in meinen Erinnerungen an 1985 (Gründung meiner 1. Wasserskischule
und der aufregenden Bekanntschaft mit den dort ansässigen Bagwanis) zu schwelgen. Auch meine damalige Flucht im
September 85 mit meinem Rottweiler Beo-Wulf beschäftigten mich, während wir am hellerleuteten Castell vorbeizogen.
Um 22 Uhr 30 war der Hafen von Igonoumitsa erreicht und es begann die Hetze im Laderaum der Fähre. Jeder Motorrad-
reisende wird das wohl kennen, im Abgasqualm der PKW s und LKW s die Mopeds wieder zu packen, die Kleidung zu
wechseln und die drängelnden Einweiser um etwas Aufschub zu bitten. Roland wurde gerade noch fertig, ich nicht ganz,
musste also Jogginganzug und einige andere Sachen mit einem Gummizug notdürftig befestigen. Wir fuhren 12 km, es war
bitterkalt. Den Betonboden eines Rohbaus in einem steinbruchartigem Gelände suchten wir uns aus für unsere erste
Freiluftübernachtung. Unsere Matten und Schlafsäcke bestanden den ersten Härtetest. Nur für die Ohren hätten wir uns
besser ausrüsten sollen. Morgens stellte sich wiedermal heraus, dass keiner von uns beiden schlafen konnte, weil der
andere so laut geschnarcht hatte. Ich konnte es jedenfalls nicht gewesen sein, da mir Dr. Obauer das Schnarchen im
Januar angeblich wegoperiert hatte.
Igonoumitsa 18.03.1996 kmSt. 16.681
Trüb war das Wetter, als wir gegen 8 Uhr 30 losfuhren. Die Strecke in Richtung Joannina fuhr ich schon
öfter, aber so schön kam mir das Panorama noch nie vor. Alle Berge rings um uns waren schneebedeckt.
In der Ferne konnten wir auch schon den Katarapass vermuten. Natürlich weiß. Wir frühstückten in einem
kleinen Ort, es war sehr kalt und teilweise neblig, als wir an Joannina vorbei und bergaufwärts, Richtung
Katara fuhren. Oben angelangt, waren wir mitten unter Skskifahrern. Links und rechts meterhoch der Schnee.
Wir wollten am Pass eine kleine Straße in Richtung Grevena abbiegen. Wir vergewissern uns nochmal anhand
der Landkarte und fahren ab in die schneebedeckte Nebenstraße. Es war schwer mit unseren vollbeladenen
Maschinen eine der beiden Spuren im Schnee zu folgen. Nach 2 km kommt uns ein Polizeijeep entgegen und einer
der beiden Polizisten fragt uns, wo wir denn hinwollten. Als ich Grevena erwähne, schütteln beide den Kopf und
erklären, wir seien zu früh abgebogen. Wir kehren um uns gleich darauf stürzt Roland. Er klagte sofort über
starke Schmerzen im Knie. Trotzdem fuhren wir weiter und es kam keine Tankstelle, und so blieb meine Maschine
stehen. Roland fuhr mit einem leeren Kanister weiter, kam aber bald mit Sprit zurück. 3 km weiter konnten wir tanken.
Das Wetter und Roland`s Knie machten uns große Sorgen. Vor allem das Schalten bereiteten ihm Probleme.
Zu Mittag in Grevena aßen wir ein Hähnchen und stellten fest, dass aus dem Kardanlager meiner BMW Öl austrat.
Das wird wohl nicht unser Tag werden, der 18.3.96. Wir erfuhren, dass in Saloniki eine BMW Werkstatt sei, und
wollten heute noch unbedingt dieses Ziel erreichen. Den Chantera Pass mussten wir fast im Blindflug überqueren.
Es herrschte absoluter Nebel. Den Pass hinter uns, erreichten wir im Nieselregen die Stadt Varia. Nach einem
weiteren Tankstopp kamen wir gegen 19 Uhr 30 in Saloniki an. Wir nahmen gleich die erstbeste Absteige. Ich
schaffte das Gepäck in den 1. Stock, verkettete die Mopeds und kümmerte mich dann um Roland, der mit einem ganz
dicken Knie im Bett lag.
19.03.1996 kmSt. 17.133
Am Morgen des 19.3. stand ich um 7 Uhr 30 auf, es war ein wichtiger Tag, was wird aus Roland`s Knie, was mache ich
mit dem Kardanlager. Nach 5 km Uferstrasse, fragte ich einen Mann, der an einem Kiosk stand, nach der BMW Werkstatt.
Er startete sein Auto und fuhr vor mir her bis zu einem BMW Laden. Dort gab er mir seine Karte, er war Angestellter dieses
Ladens. .Der Laden öffnete erst um 9 Uhr. Nach einer halben Stunde fuhren wir dann zur Werkstatt. Ein Mechaniker
bestätigte unsere Vermutung, dass ein Getriebesimmering kaputt sei. Viele Grüße an BMW Ring in Roth, wo ich unmittelbar
vor unserer Abfahrt, das Getriebe generalüberholen lies. Diese Ringtödelmechaniker haben mir sicherlich den Simmering
beim Einbau zerstört.. Der griechische Mechaniker machte sich sofort an die Arbeit, während ich versuchte, zum Hotel
Bristol, unserer Unterkunft zurückzukommen. Da mir kein Taxifahrer helfen konnte, lief ich die 5 oder 6 km durch
Saloniki und fand, dank meines gut funktionierenden Orientierungssinn, zurück. Roland war gerade dabei sich
Umschläge zu machen, damit die Schwellung zurückgehe. Nachmittags versuchte er seine ersten Gehversuche.
Wir brachten unsere dreckigen Klamotten zu einer Wäscherei und statteten der Werkstatt einen Besuch ab.
Meine BMW war komplett zerlegt. Die Reparatur, erfuhren wir, wird 3 Tage andauern. Das Laufen bekam Roland
ganz gut und er sagte, wenn das Laufen besser geht als das Fahren, laufe ich eben nach Indien. Na seiner Figur
würde es gut tun. Gegen abend, in Hafennähe, sahen wir 2 hochaufgepackte Motorräder, die Benedikt, 24, und
Ole, 28, beide aus Dänemark, gehörten. Sie waren unterwegs nach Afrika. Beide hatten die Schnauze voll,
wegen des andauernden Regens durch Griechenland. Benedikt und Ole zogen dann auch ins Hotel Bristol.
Sie verstauten ihre Tenere und Dominator, und wir gingen zusammen zum Essen, wo wir sie zu Bier, Ouzo und
griechischen Essen einluden. Sie hatten sich ein Jahr dafür vorgenommen und jeder hatte DM 8.000 zur
Verfügung. Vielleicht erfahren wir irgendwann, wie deren Abenteuer ausgegangen ist. Um 22 Uhr gingen wir ins
Bett.
20.03.1996 kmSt. 17.141
Heute besorgte ich für Roland eine Packung Elastobinden und holte die Wäsche ab (14 Teile für DM 45), da hätten
wir fast neue kaufen können. Dann machten wir uns einen gemütlichen Nachmittag auf der Bude und hofften,
dass morgen das Moped fertig würde und wir dann unsere Reise fortsetzen könnten.
21.03.1996 kmSt. 17.147
Die BMW wurde fertig, aber nicht mittag, sondern erst gegen 17 Uhr. Der Mechaniker reparierte nicht nur den
Getriebesimmering, sondern musste auch noch am Ölkühler etwas hartlöten. Ich bezahlte 48.000 Drachmen
und fuhr zum Bristol, wo Roland mit den beiden Dänen auf mich wartete. Er war den ganzen Nachmittag damit
beschäftigt, unsere Utensilien ordentlich zu verpacken. Wir entschlossen uns noch abzufahren, obwohl es schon
dämmerte. Um 18 Uhr verabschiedeten wir uns von Ole und Benedikt und liesen Saloniki hinter uns. Es war
trocken, aber kalt und nach einer Stunde erreichten wir Stavros, wo wir bei einem unfreundlichen Wirt zu abend
aßen. Nach einigen Telefonaten holte uns Helmut, ein Deutscher, den Roland vor 10 Jahren hier kennengelernt
hatte, ab, und wir quatschten noch 2 Stunden mit ihm und Marin, seiner griechischen Frau.
22.03.1996 kmSt. 17.238
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, hörten wir als erstes den Regen aufs Dach prasseln. Das und sein
Knie hindern Roland auf die Beine zu kommen. Und so wird es 9 Uhr 30 bis wir endlich loskommen. Es regnet,
bis wir Kavala erreichen, dann ist es nur noch kalt und windig. Vor Alexandropolis, kehren wir nochmal ein,
um alte Souvlaki zu essen. Ein Amstel dazu und dann geht`s auf in die Türkei. Vor der Grenze vertanken wir
noch unsere restlichen Drachmen. Die Abfertigung geht schnell und um 14 Uhr 30 haben wir türkischen Boden
unter unseren Füssen. Hier wollten wir den Weg durch die Türkei festlegen. Die Wetterprognse für die
nächsten Tage stand auf Regen und Schnee. Da ich 1982 schon mal 3 Tage mit meiner Honda 500 V4 (damals
mit Gerd Meyer und Jürgen Werr) bei Dauerregen am Schwarzen Meer unterwegs war, konnte ich darauf gern
verzichten und wir entschieden uns für die südliche Route, über Bursa, Eskeshir, Ankara, Sivas, Erzerum
zur iranischen Grenze. Um 15 Uhr sind wir in Gelibolu und um 17 Uhr setzen wir mit der Fähre nach Lapseki
über. Nach 60 km erreichen wir Biga und quartieren uns in ein billiges Hotel ( DM 12 zu zweit) ein. Wir gehen
noch essen und liegen gegen 21 Uhr30 im Bett.
23.03.1996 kmSt. 17.710
Wir standen auf in Biga und es regnete. Roland wollte schon pausieren, ließ sich dann aber breitschlagen,
in kleinen Etappen weiterzufahren. die Straße führte uns weiter am Meer entlang, bergauf, bergab. Der
Asphalt war äußerst glatt, da er mit vielen Kießelsteinen durchsetzt war. Es regnete bei 1-3 Grad und es
bließ ein stetiger Nordwind. Der Wind war so stark von links, dass wir mit stetiger Schräglage fahren
mussten. So machten wir bis Bursa 2x Pause. In Bursa setzte starker Verkehr ein, die Straße
war sehr dreckig, so dass unsere Visiere bald mit einer braunen Dreckschicht bedeckt waren und wir mussten
es immer wieder mit den Handschuhen sauber wischen, um überhaupt etwas sehen zu können. Nach
einem Tankstopp fuhren wir einen kleinen Pass hinauf und kehrten ein 3. Mal ein. Jetzt hörte es auf zu
regnen und Roland meinte, das wars mit dem Regen. Er hatte recht gleich darauf schneite es so stark,
dass der Schnee auf der Straße als Matsch liegenblieb. Nach weiteren 80 km kehrten wir wieder ein.
Wir waren jetzt kurz vor Bözüyük und die Hochebene war erreicht. Wir befanden und zwar nur auf 900 m
Meereshöhe, aber die 0 Gradgrenze war unterschritten. Die letzten km vor Eskishir waren dann trocken
und wir suchten uns eine Unterkunft.
Diesesmal von der besseren Klasse ( DM 35 fürs DZ ). Abends erholten wir uns in einem Hamam. Dort
wurden wir gründlich gewaschen und massiert und gleich waren die Strapazen vergessen. Ein Raki und ein
paar Biere sorgten dafür, dass wir schnell einschlafen konnten.
Eskishir 24.03.1996 kmSt. 17.989
Heute war Sonntag, um 10 Uhr 30 gings weiter, kaum war Eskishir hinter uns, fing es wieder an stark zu schneien.
Links und rechts fuhren wir an kleineren und größeren Minaretten vorbei. Da jetzt die Matschfelder auf der Sraße
immer eisiger wurden, war es sehr gefährlich für uns und unsere schwerbeladenen BMWs. Nur noch Busse hielten
ihre 110 km/h und spritzten uns von oben bis unten nass, wenn sie uns überholten oder uns entgegenkamen.
Wir fahren meist hinter einem Räumfahrzeug hinterher, so mit 60 km/h. Schon nach 40 km rasten wir, weiter geht`s,
der Schneefall läßt nach, dafür setzt der eisige Nordwind wieder ein. Er ist ziemlich konstant, aber wenn LKWs
entgegenkommen wird er stark böig. Die nächste Rast machen wir in Polati, 80 km vor Ankara. Sofort werden wir
wieder von ehemaligen Gastarbeitern begrüßt.Natürlich erregen wir Aufsehen mit unseren überladenen Motorrädern.
Man stellt uns immer dieselben Fragen, woher, wohin, kennst du Mannheim, Hamburg oder Freising. Habe dort 5 Jahre
gearbeitet. Deutschland ist gut, Leute waren gut, habe dort viel Geld verdient. Freundlich sind sie alle, auch die vielen
Arbeitslosen, die in den Kneipen den ganzen Tag Karten spielen und Tee trinken, die Kinder, die vor dem Lokal unsere
Motorräder ansehen, als wären es Fahrzeuge von einem andern Stern. Unser 3 oder 4 Tees dürfen wir natürlich nicht
bezahlen, als wir uns zur Weiterfahrt fertigmachen. Je näher wir Ankara kommen, werden Wetter und Straßen immer
besser, so dass wir schneller vorwärts kommen. Ankara ist auf vielen kleinen Bergen gebaut, ähnlich Rom. Wir um-
fahren die Hauptstadt der Türkei, die Sonne lässt sich blicken und die Themperatur liegt bei 12 bis 13 Grad. Bis
Kirikkale führt uns die autobahnähnliche Strasse über einen kleinen Pass, von woaus wir einen Blick auf die schnee-
bedeckten Berge, in östlicher Richtung, werfen können. Auf einmal werden die Wolken wieder dichter, Regen und
Hagel begleiten uns bis wir gegen 18 Uhr nach km 2.500 in einem Motel in Yerköy unterkommen.
Unsere Mopeds können wir in einer Garage unterstellen, wir ziehen trockene Sachen an und gesellen uns zu den
Einheimischen, die jetzt schon merklich dunklere Haut haben. Obwohl sie nicht unsere Sprache sprechen, und wir
nicht die Ihre, unterhalten wir uns über Deutschland, die Türkei, unseren Plänen, vergangene und bevorstehende
Sportereignisse. Bei Freundlichkeit und gutem Willen, braucht man nicht dieselbe Sprache sprechen, um sich zu
verstehen.
Yerköy 25.03.1996 kmSt. 18.506
Gegen 9 Uhr, nach einem Tee und einer Cola verlassen wir das nette, kleine Motel. Sofort verschlingen uns die
dichten Wolken. Wir haben keine 10m Sicht, als wir den Pass zwischen Yerköy und Yozgat überqueren. Dass die
Strasse an manchen Stellen spiegelgltt ist, macht die Fahrerei nicht gerade einfacher. Bis Akdagmadeni kommen
wir dann doch zügig voran, tanken und kehren in Yavu (Belcik) ein. In freundlicher Atmosphere bleiben wir bis
nachmittag, da es draußen die ganze Zeit regnet, hagelt oder schneit. Die freundlichen Türken warnen uns auf
unserem Weiteren Weg vor der PKK, da es in Deutschland erst wieder Krawalle mit der Polizei gegeben hat. Wir
sollen auf keinen Fall nachts fahren und möglichst die Stadt Agri meiden. Dort könnte auf uns geschossen werden.
Nach viel heißen Tees und einem Bier geht`s wieder raus in die Kälte und weiter nach Sivas. Weil es so kalt und
unangenehm zu fahren war, ziehen wir in Erwägung, ab Sivas ein Stück mit der Bahn zu fahren. Da sich aber gerade
bei Sivas ganz kurz die Sonne blicken lies, entschieden wir uns doch für die Motorräder. An Zara vorbei sind wir noch
guten Mutes, unser Tagesziel, Erzincan, zu erreichen. Imranli lassen wir links liegen und dann fahren wir bei heftigem
Schneefall auf schmierigem Kopfsteinpflaster und Dunkelheit den Kizildagi Gecidi Paß hinauf. Es geht nur ganz langsam
voran, das Schneegstöber wird immer dichter, unsere Visiere sind ständig voll Schnee und beschlagen. Oft müssen wir
die Visiere öffnen, um überhaupt noch was zu sehen. Auch meine Brille stecke ich in meine Tasche. Es ist der reinste
Blindflug. Wir erreichen dennoch Refahiya, da gerade der Strom ausgefallen war, wären wir um ein Haar an der Absteige
direkt neben der Straße vorbeigefahren, weil kein Licht brannte in dem verlassenen Nest. Es machte so einen verdreckten
Eindruck, dass wir weiterfahren wollten, aber es gab auf die nächsten 50km keine Alternative und so blieben wir. Das Bett
und die Toilette sind ein Brechmittel. Alles war stockfinster, weil wir mit Strom erst wieder am nächsten Morgen rechnen
konnten. Ich hatte auch keine Lust, nochmal zu den Mopeds runterzugehen und nach einer Taschenlampe zu suchen. Als
Roland die Toilette im Finstern nur nach dem Geruch suchte, hörte ich ihn auf einmal laut fluchen. Er war tatsächlich
knöcheltief in die vollgeschissene Stehtoilette getappt. Da auch kein Wasser zur Verfügung stand, roch es in unserer
Schlafecke ganz erbärmlich. Wir konnten trotzdem einschlafen nach diesem harten Tag.
Beim Aufwachen, es war inzwischen hell, begrüßten uns viele kleine Tierchen, die mit uns in der löchrigen Matraze
geschlafen haben.
Refaiya 26.03.1996 kmSt. 18.960
Wir wollten hier nur noch weg, von dem hässlichsten Quartier, das wir je erlebt hatten.
Es war bitterkalt, als wir die Stätte des Grauens verließen. Links und rechts zwischen meterhohen Schneewänden,
ging es den Sacaltutan Gecidi hoch. Seit Sivas kontrollieren Militärs alle Seitenstrassen zum wilden Kurdistan.
Sie sind alle schwer bewaffnet. Entlang der Strasse sehen wir immer wieder getarnte Bunker. Einige Panzer kommen
uns entgegen. Die Soldaten winken uns freundlich zu. Die politische Situation scheint zum Bersten angespannt. Wir
wissen nicht genau warum, haben wir uns zuwenig informiert ? Es ist mäuschenstill in diesen engen Schluchten. Die
Angst vor Übergriffen der PKK läßt mir Schauer über den Rücken laufen. Es geht alles gut und wir erreichen Erzurum
um 13 Uhr 30 bei heftigem Schneegestöber, suchen ein Hotel und erholen uns von den bisherigen Strapazen.
Abends diskutieren wir noch mit einem Studenten aus Trabzon, er erklärt uns wieder die gefährliche Lage,
in der wir uns augenblicklich in dieser Gegend befinden und gibt uns den Rat, vorsichtig zu sein. Durch die
derzeitigen Demonstrationen der PKK in Deutschland sei unsere Lage gefährlicher denn je.
Archiv für März 1996
SZ vom 28.03.1996
Kabinett reagiert auf Kurden-Krawalle — Ausländer sollen bei schwerem Landfriedensbruch
automatisch in ihre Heimat abgeschoben werden
Voraussetzung bleibt rechtskräftige Verurteilung zu einer Haftstrafe ohne Bewährung Strafen für
gewalttätige Ausländer sollen generell verschärft werden / Innenminister Kanther: Möglichkeiten
zur Verzögerung der Abschiebung abschaffen
Bonn (dpa/AFP) – Unter dem Eindruck der jüngsten Kurden-Krawalle will die Bundesregierung
die Abschiebung gewalttätiger ausländischer Demonstranten wesentlich erleichtern. Das Kabinett
beschloß am Mittwoch einen Maßnahmenkatalog, der die zwingende Ausweisung nach Fällen schweren
Landfriedensbruchs enthält. An die Bundesländer erging der eindringliche Appell, alle übrigen Möglichkeiten
zur Beschleunigung von Strafverfahren und zur Abschiebung, für die sie allein zuständig sind,
auszunutzen. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) sagte, das Risiko für gewalttätige Ausländer,
in Deutschland ‚Randale zu begehen oder Polizisten zu verletzen‘, werde sich ‚außerordentlich erhöhen‘. Die
SPD will die Vorschläge der Koalition prüfen. Nach Auskunft Kanthers und Justizminister Edzard Schmidt-Jortzigs
(FDP) kam das Kabinett überein, schweren Landfriedensbruch künftig zu einem Pflicht-Ausweisungsgrund zu
machen, wenn der Täter rechtskräftig zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde. Die Forderung aus
der Union, Gewalttäter auch ohne Urteil ausweisen zu können, wurde auf Druck der FDP nicht übernommen.
Dafür vereinbarte das Kabinett, ausländische Straftäter auszuweisen, wenn sie – unabhängig vom
jeweiligen Delikt – eine Freiheitsstrafe von mindestens drei (bislang fünf beziehungsweise acht) Jahren
erhalten. Überprüft werden müsse, ob der Ausweisungsschutz für verurteilte Straftäter, die im Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis sind, beibehalten wird. Außerdem soll die Vorschrift des schweren
Landfriedensbruchs (Paragraph 125a Strafgesetzbuch) auf Fälle ausgedehnt werden, in denen es aus einer
verbotenen Demonstration heraus zuzu unbewaffneten Ausschreitungen kommt. Dies galt bislang als
‚einfacher‘ Landfriedensbruch. Bestraft werden soll künftig auch der erstmalige (bisher: mehrmalige)
Verstoß gegen ein politisches Betätigungsverbot. Zudem drängte das Kabinett auf eine rasche
Verabschiedung eines Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen zur Einführung eines vorläufigen
Festnahmerechts und eines neün Haftgrundes zur Sicherung der Hauptverhandlung in beschleunigten
Verfahren, die sogenannte Hauptverhandlungshaft. Die Bundesregierung rief die Länder zu ‚konseqüntem
Gesetzesvollzug‘ auf. Dazu gehöre, Betätigungsverbote für Einzelpersonen und Verbote politischer
Organisationen durchzusetzen. Auch müsse Druck auf Busunternehmer ausgeübt werden, die gewalttätige
Demonstranten befördern. Daneben sollten die Behörden besser kontrollieren, ob sich Asylbewerber an
ihnen auferlegte räumliche Beschränkungen halten. Verfahren, die Abschiebungen verzögerten
(beispielsweise die nordrhein-westfälischen ‚Härtefallkommissionen‘), gehörten abgeschafft. Der
SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping kündigte an, seine Partei werde die Initiative der Koalition
prüfen. Es sei Auffassung der SPD, daß Gewalttäter und andere Kriminelle ihr Aufenthaltsrecht selbst
zerstörten. Wer dieses Recht mißbrauche, müsse Deutschland verlassen. Die SPD-Innenpolitikerin Cornelie
Sonntag-Wolgast meinte, die Absicht der Bundesregierung ändere nichts daran, daß auch Rädelsführer
Abschiebeschutz bekommen müßten, wenn ihnen Folter oder Todesstrafe drohten. In der Kurdenfrage
müsse die Bundesregierung energischer auf die türkische Regierung einwirken, eine politische Lösung des
Konflikts herbeizuführen. Der hessische Justizminister Rupert von Plottnitz (Bündnis 90/Die Grünen) kritierte
im Deutschlandradio die geplante Verschärfung des Ausländerrechts. Das jetzige Instrumentarium
gebe genug Möglichkeiten, ausländische Gewalttäter angemessen zu bestrafen. Die geringe Zahl der
Abschiebungen begründete Plottnitz mit den Schranken der Europäischen Menschenrechtskonvention, die
bei drohender Folter oder Lebensgefahr in der Heimat keine Abschiebung zulasse. Zwei Anschläge in Hannover
In Hannover wurden in der Nacht zum Mittwoch zeitgleich Brandanschläge auf ein türkisches Café und auf
ein deutsches Reisebüro verübt. Nach Angaben der Polizei wurden in beiden Fällen zunächst die
Fensterscheiben eingeschlagen und dann Brandsätze in das Innere geschleudert. Die Polizei hielt
eine Urheberschaft der kurdischen Arbeiterpartei PKK für möglich. Der mutmaßliche Anführer der
verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK für den Raum Stuttgart ist verhaftet worden. Wie das
Landeskriminalamt am Mittwoch mitteilte, werden dem 33jährigen Anstiftung zur gemeinschaftlichen
schweren Brandstiftung sowie Verstöße gegen das Vereinsgesetz vorgeworfen.
Bild am Sonntag vom 24.03.1996, Seiten 12+13
Die feige Taktik im Straßenkampf gegen die deutsche Polizei
Bild vom 20.03.1996, S. 1
Terror-Kurden — Kohl: Schärfer durchgreifen!
Die Bundesregierung will jetzt gegen Terror-Kurden mit aller Härte durchgreifen! Das hat Bundeskanzler
Helmut Kohl (CDU) gestern angekündigt.
Kohl: „Kein PKK-Mitglied darf in Deutschland weiter sein terroristisches Unwesen treiben. Wer seinen
Aufenthalt in Deutschland zu schweren Straftaten nutzt, muß rasch verurteilt und aus Deutschland
schnellstmöglich abgeschoben werden.“
Der Kanzler forderte die Bundesländer auf, „mit aller Härte“, Recht und Gesetz Geltung zu
verschaffen. Es sei ein „absolut unerträglicher Zustand“, wenn die PKK glaube, je schlimmer man sich in Deutschland auftführe, um so sicherer entgehe man der Abschiebung.
Kohl wörtlich: „In keinem zivilisierten Land Europas wird Vergleichbares zugelassen!“
Aus Sorge vor weiteren Ausschreitungen hat Innenminister Manfred Kanther den Bundesgrenzschutz (BGS) für die gesamte Woche in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt: „Alle verfügbaren Hubschrauber stehen für kurzfristige Einsätze zur Bewältigung aktueller Lagen bereit.“
In Stuttgart, Mannheim, Heilbronn, Ulm, Mainz, Ludwigshaien, Gießen und Frankfurt/Main wurden
Kurden-Demonstrationen verboten.
Danach gingen wir noch in ein anderes Lokal, hörten türkische Musik und bekamen sogar ein Bier,
was in dieser Gegend normalerweise nicht möglich ist.
Erzurum 27.03.1996 kmSt. 19.222
Die Sonne schien, als wir gegen 8 Uhr 30 in Richtung Agri starteten. Vorbei an ruinenartigen Dörfern, links und rechts schneebedeckte 3-4.000m hohe Berge. Steil schlängelt sich die Strasse hoch zum Sac Gecidi Pass. In Eleskirt machten wir die erste Rast. Ein Türke, der in Deutschland 24 Jahre gearbeitet und nun seit 6 Jahren wieder zurück ist, warnte uns davor, Leute irgendwas zu fragen, wenn, dann nur die Polizei. Als wir die Dorfstrasse weiterfuhren, wurden wir das erste Mal angepöbelt. Es waren junge Burschen, 20 bis 30 Jahre.
In Dogubayazit vertankten wir unser letztes türkisches Geld und dann machten wir
uns auf zur iranischen Grenze. Es war 14 Uhr, an der türkischen Seite war man
uns freundlich gesinnt.
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